Nicht richtig krank, nicht wirklich gesund

Geduld ist eines der Attribute die wohl jeder Patient mit Krebs früher oder später lernen muss. Das fängt mit den Wartezeiten in der Klinik an, geht mit den eigenen Kräften weiter, und dem Wunsch nach Erfolg in der Therapie.

 

Wenn man über einige Monate weder richtig laufen, noch essen oder sonst irgendwie existieren konnte, dann sind selbst die kleinsten positiven Veränderungen wie ein Wunder. 

Doch schnell gewöhnen wir uns wieder daran, und nehmen alltägliche Dinge wieder als selbstverständlich wahr.

Ob es nun der Einkauf beim Bäcker, das Verreisen oder die Tatsache ist, dass man nicht mehr laufend brechen muss. 

Anfangs ist alles so besonders, man spürt die Dankbarkeit in jedem Moment und allem was man tut. 

Aber wenn der Alltag zurück kommt, dann kommen auch die "ganz normalen" Seiten und Probleme des täglichen Lebens zurück:

Mist, ich muss noch zur Post! Ich würde heute Abend gern weggehen. Kann ich das Kleid überhaupt noch tragen? Mensch, was koche ich heute nur? 

 

Das ist ja auch eine gute Sache. Denn es zeigt schlichtweg auf, dass man wieder gesund genug ist um sich mit solchen Dingen zu beschäftigen. Andererseits muss man ständig aufpassen nicht in sein altes Schema aus Zeiten vor der Krankheit zurück zu fallen. Denn ich denke, der Krebs kam um mich einiges zu lehren. Und es wäre fatal, so weiter zu machen wie vorher. 

Diese "Grenzen" der Genesung werden mir auch immer wieder aufgezeigt. Wenn ich meine, dass ich doch "schon wieder irgendwie gesund bin", dann merke ich am nächsten Morgen, dass ich nach 500 m Fußweg so am Ende bin, dass ich nicht mehr kann. Oder das ein oder andere Lebensmittel, das doch seinen Weg schneller heraus findet als es sollte. 

Es sind all diese Dinge, die uns zeigen:

 

"Hey, mach mal langsam. Es ist schön, dass es dir besser geht. Aber wenn du meinst in dein hektisches, altes Leben zurück zu fallen, dann muss ich dir scheinbar nochmal ein Zeichen senden, das dir sagen soll, dass du mehr auf dich und deinen Körper acht geben sollst. Die Zeit ist eben noch nicht reif dafür." 

 

 

Im ersten Moment bin ich sauer darüber. Ich will nunmal um jeden Preis wieder ein normales Leben führen. Ich fühl mich doch gesund und geheilt. Warum bin ich es dann noch nicht? Und wie bereits oben erwähnt sitzt das innere Ich da und schmunzelt. Ja, die liebe Geduld. Das ist eine Tugend, die die wenigsten Menschen besitzen. 

 

Am wichtigsten ist bei der ganzen Geschichte nur, dass man sich von all dem nicht in ein tiefes Loch stürzen lässt. In den Zeiten als es mir sehr schlecht ging, war ich von der Außenwelt komplett abgeschirmt. Und selbstverständlich dachte ich auch nicht einen Moment daran weggehen zu wollen oder ob ich dieses oder jenes Kleidungsstück noch tragen könne. 

Jetzt bin ich umgeben von all diesen "Verführungen" und wünsche mir oftmals, wieder in den Strom der wandelnden Menschen eintreten zu können. Aber der bewegt sich eben häufig noch zu schnell für mich. Daher muss ich akzeptieren, dass meine Zeit noch nicht gekommen ist. Aber sie wird kommen. Das weiß ich! Und bis dahin heißt es weiterhin Kräfte sammeln und geduldig bleiben! 

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 1
  • #1

    Alexandra (Montag, 07 Januar 2019 13:50)

    Oh ja, die Geduld...
    "Ich will doch nur Normalität!"
    Jeden Tag.
    Ich wurde Ende Mai 2018 transplantiert.
    #staystrong